Am 19.07.2022 veröffentlichte das Bundesministerium der Justiz (BMJ) eine Pressemitteilung mit dem Titel „Neustart in der Strafrechtspolitik“. Wer als Leser nun mit bahnbrechenden Neuigkeiten oder gar einem tatsächlichen Neustart in der Strafrechtspolitik gerechnet hat, wurde allerdings eher enttäuscht.
Vielmehr wollte das BMJ darauf aufmerksam machen, dass seitens der Behörde am 19.07.2022 der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt veröffentlicht worden ist. Was verbirgt sich nun aber hinter dem angekündigten Neustart?
1. Reform des § 64 StGB
Zunächst einmal soll § 64 StGB in mehrfacher Hinsicht „enger“ gefasst werden. Damit soll vor allem der „seit vielen Jahren zu beobachtenden Anstieg der Zahl der untergebrachten Personen“ gebremst werden.
Die Anforderungen an den erforderlichen „Hang“ iSd § 64 StGB sollen erhöht werden und der Zeitpunkt für eine Reststrafenaussetzung soll, auch für die Berechnung eines etwaigen Vorwegvollzugs, an den üblichen sog. „Zweidrittelzeitpunkt“ angepasst werden.
Mehr Strafe, weniger Therapie ist also die Idee des Gesetzgebers. Dies mag vieles sein, ein Neustart in der Strafrechtspolitik ist es indes sicherlich nicht. Das in Zukunft nur noch schwerstabhängige Personen eine Therapie in einer entsprechenden Klinik bekommen sollen, überzeugt aus kriminalpräventiver Sicht nicht.
2. Reform des § 43 StGB
§ 43 Satz 2 StGB (aktuelle Fassung) legt fest, dass ein Tagessatz Geldstrafe einem Tag Freiheitsstrafe entspricht. Dies soll dahin abgeändert werden, dass zwei Tagessätze Geldstrafe nunmehr einem Tag Freiheitsstrafe entsprechen, weil u.a. ein Tag Freiheitsstrafe schwere wiege, als der Verlust eines Tageseinkommens. Dies ist sicherlich und ohne Zweifel zutreffend. Aber wiegt ein Tag Freiheitsstrafe nicht auch schwerer als der Verlust von zwei Tageseinkommen?
Auch der neue „Umrechnungsmaßstab“ überzeugt nicht. Da der Gesetzgeber darüber hinaus erkennt, dass das gesamte Institut der Ersatzfreiheitsstrafe unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung sehr fragwürdig ist, hätten hier ganz neue Wege beschritten werden können und ein wirklicher „Neustart“ gewagt werden können.
3. Erweiterung des § 46 Absatz 2 StGB
In die Liste der bei der Strafzumessung zu berücksichtigenden Beweggründe und Ziele des § 46 Absatz 2 StGB sollen nunmehr auch „geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive ausdrücklich aufgenommen werden. Dies ist richtig und überfällig.
Eine Erweiterung der Norm dürfte damit allerdings nicht einhergehen, da es sich bei beiden Merkmalen um „sonstige menschenverachtende“ Beweggründe und Ziele handelt, die schon vor der Reform von § 46 Absatz 2 StGB erfasst und somit bei der Strafzumessung berücksichtig worden sind.
Es ist somit festzuhalten, dass der angekündigte „Neustart in der Strafrechtspolitik“ leider nur einen „ganz kleinen Wurf“ darstellt.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht