Die Embargo-Maßnahmen der Europäischen Union gegen Russland haben seit Sommer 2022 auch direkte Auswirkung auf die Arbeit von rechtlichen Beratern. Bei jedem Mandat mit Russlandbezug ist nun zu prüfen, ob dieses den Dienstleistungsverboten in der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 unterfällt.
I. Historie
Als Reaktion auf die Versuche Russlands, die Lage in der Ukraine zu destabilisieren, erließ die Europäische Union mit Beschluss vom 31.07.2014 (2014/512/GASP) ein Waffenembargo sowie Handelsbeschränkungen für Dual-Use-Güter und Ausrüstung für den Energiebereich und beschränkte den Zugang zum Kapitalmarkt der Europäischen Union. Mit der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 vom 31.07.2014 wurden die Maßnahmen unmittelbar in geltendes Recht umgesetzt.
Seitdem wurde die Liste der Sanktionsmaßnahmen gegen Russland immer wieder erweitert und die Verordnung entsprechend angepasst. Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg hat die Europäische Union seit Februar 2022 umfangreiche Wirtschafts- und Finanzsanktionen beschlossen. Als Teil des Sechsten Sanktionspaketes der EU wurde ein Dienstleistungsverbot in den Bereichen der Wirtschaftsprüfung einschließlich Abschlussprüfung, Buchführung und Steuerberatung sowie der Unternehmens- und Public-Relations-Beratung erlassen. Im Rahmen des Achten Sanktionspakets vom 06.10.2022 wurde die Verordnung (EU) Nr. 833/2014 durch ein Dienstleistungsverbot für allgemeine Rechtsdienstleistungen u.a. ergänzt. Damit ist es nunmehr auch der Anwaltschaft untersagt, bestimmte Mandate mit einem Bezug zu Russland zu übernehmen.
II. Einschränkung der Berufsausübung
- Verordnung (EU) Nr. 833/2014, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 2022/1904 des Rates vom 06.10.2022
a) Dienstleistungsverbot im Bereich der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung
Nach Art. 5n Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 ist es verboten, unmittelbar oder mittelbar Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung einschließlich Abschlussprüfung, Buchführung und Steuerberatung sowie Unternehmens- und Public-Relations-Beratung für die Regierung Russlands oder in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen zu erbringen. Eine Ausnahme gilt für Dienstleistungen, die unbedingt erforderlich sind, um vor dem 04.06.2022 geschlossene Verträge, die mit Art. 5n der Verordnung nicht vereinbar sind, oder für deren Erfüllung erforderliche akzessorische Verträge bis zum 05.07.2022 zu beenden (Abs.
b) Dienstleistungsverbot im Bereich der Rechtsberatung
Nach Art. 5n Abs. 2 der Verordnung ist es untersagt, unmittelbar oder mittelbar Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung u.a. zu erbringen für die Regierung Russlands oder in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen. Davon ausgenommen sind
- Dienstleistungen, die unbedingt erforderlich sind, um vor dem 7.10.2022 geschlossene Verträge, die mit Art. 5n der Verordnung nicht vereinbar sind, oder für deren Erfüllung erforderliche akzessorische Verträge bis zum 8.01.2023 zu beenden (Abs. 4)
- Dienstleistungen, die für Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die dringende Abwendung oder Eindämmung eines Ereignisses, das voraussichtlich schwerwiegende und wesentliche Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit von Menschen oder die Umwelt haben wird, oder für die Bewältigung von Naturkatastrophen erforderlich sind (Abs. 8)
- Dienstleistungen, die für Softwareaktualisierungen für nichtmilitärische Zwecke und für nichtmilitärische Endnutzer, die gemäß Art. 2 Abs. 3 lit. d) und Art. 2a Abs. 3 lit. c) hinsichtlich der in Anhang VII aufgeführten Erzeugnisse erlaubt sind, erforderlich sind (Abs. 9)
Nach Erwägungsgrund 19 der Verordnung (EU) Nr. 2022/1904 umfassen „Rechtsberatungsdienstleistungen“ die Rechtsberatung für Mandanten in nichtstreitigen Angelegenheiten, einschließlich Handelsgeschäften, bei denen es um die Anwendung oder Auslegung von Rechtsvorschriften geht. Außerdem schließt der Begriff die Teilnahme mit oder im Namen von Mandanten an Handelsgeschäften, Verhandlungen und sonstigen Geschäften mit Dritten sowie die Ausarbeitung, Ausfertigung und Überprüfung von Rechtsdokumenten ein.
Im Gegensatz dazu sind die Vertretung, Beratung, Ausarbeitung von Dokumenten oder die Überprüfung von Dokumenten im Rahmen von Rechtsvertretungsdienstleistungen, insbesondere in Angelegenheiten oder Verfahren vor Verwaltungsbehörden, Gerichten anderen ordnungsgemäß eingerichteten offiziellen Gerichten oder in Schieds- oder Mediationsverfahren explizit nicht unter den Begriff der „Rechtsberatungsdienstleistungen“ zu fassen.
c) Weitere Ausnahmen von den Verboten nach Abs. 1 und 2
Von den Dienstleistungsverboten nach Abs. 1 und 2 sind darüber hinaus nicht erfasst:
- Dienstleistungen, die für die Wahrnehmung des Rechts auf Verteidigung in Gerichtsverfahren und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf unbedingt erforderlich sind (Abs. 5)
- Dienstleistungen, die zur Gewährleistung des Zugangs zu Gerichts-, Verwaltungs- oder Schiedsverfahren in einem Mitgliedstaat oder für die Anerkennung oder Vollstreckung eines Gerichtsurteils oder eines Schiedsspruchs aus einem Mitgliedstaat unbedingt erforderlich sind. Voraussetzung ist jedoch, dass die Erbringung dieser Dienstleistung mit den Zielen der Verordnung 833/2014 und der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 des Rates in Einklang steht (Abs. 6)
- Dienstleistungen, die zur ausschließlichen Nutzung durch in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen bestimmt sind, welche sich im Eigentum oder unter der alleinigen oder gemeinsamen Kontrolle einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats, eines dem Europäischen Wirtschaftsraum angehörenden Landes, der Schweiz oder eines im Anhang VIII aufgeführten Partnerlandes[1] gegründeten oder eingetragenen juristischen Person, Organisation oder Einrichtung befinden (Abs. 7)
Außerdem können die zuständige Behörden Dienstleistungen iSd. Abs. 1 und 2 unter ihnen angemessen erscheinenden Bedingungen genehmigen, nachdem sie festgestellt haben, dass diese erforderlich sind für
- humanitäre Zwecke wie die Durchführung oder Erleichterung von Hilfsleistungen einschließlich der Versorgung mit medizinischen Hilfsgütern und Nahrungsmitteln oder den Transport humanitärer Helfer und damit verbundener Hilfe oder für Evakuierungen (Abs. 10)
- zivilgesellschaftliche Aktivitäten zur direkten Förderung der Demokratie, der Menschenrechte oder der Rechtsstaatlichkeit in Russland (Abs. 10)
- die Tätigkeit der diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Union und der Mitgliedstaaten oder von Partnerländern in Russland, einschließlich Delegationen, Botschaften und Missionen, oder internationaler Organisationen in Russland, die nach dem Völkerrecht Immunität genießen (Abs. 10)
- die Sicherstellung der kritischen Energieversorgung in der Union und den Kauf von Titan, Aluminium, Kupfer, Nickel, Palladium und Eisenerz oder deren Einfuhr oder Beförderung in die Union (Abs. 11)
- die Gewährleistung des kontinuierlichen Betriebs von Infrastrukturen, Hardware und Software, die für die Gesundheit und Sicherheit von Menschen oder die Sicherheit der Umwelt von grundlegender Bedeutung sind (Abs. 11)
- die Einrichtung und den Betrieb ziviler nuklearer Kapazitäten, ihre Instandhaltung, ihre Versorgung mit und die Wiederaufbereitung von Brennelementen und ihre Sicherheit und die Weiterführung der Planung, des Baus und die Abnahmetests für die Indienststellung ziviler Atomanlagen, die Lieferung von Ausgangsstoffen zur Herstellung medizinischer Radioisotope und ähnlicher medizinischer Anwendungen oder kritischer Technologien zur radiologischen Umweltüberwachung sowie für die zivile nukleare Zusammenarbeit, insbesondere im Bereich Forschung und Entwicklung (Abs. 11)
- die Erbringung elektronischer Kommunikationsdienste durch Telekommunikationsbetreiber der Union, die für den Betrieb, die Instandhaltung und die Sicherheit, einschließlich der Cybersicherheit, elektronischer Kommunikationsdienste in Russland, der Ukraine, der Union, zwischen Russland und der Union sowie zwischen der Ukraine und der Union sowie für Rechenzentrumsdienste in der Union erforderlich sind (Abs. 11) 3.
2. Folgen eines Verstoßes
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) AWG wird der Verstoß gegen ein Dienstleistungsverbot, das in einem unmittelbar geltenden Rechtsakt der EU normierten ist und der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren sanktioniert.
Darüber hinaus sind Verträge, die gegen EU-Sanktionsverordnungen verstoßen, gemäß § 134 BGB nichtig. Das vereinbarte Honorar kann somit nicht eingeklagt werden.
3. Fazit
Untersagt sind die direkte und indirekte Rechtsberatung sowie Tätigkeiten im Bereich der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung, die für die russische Regierung oder für in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen erbracht werden. Die Beratung von natürlichen Personen ist nicht eingeschränkt.
Die Wahrnehmung des „Rechts auf Verteidigung“ und des „Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf“ bleibt darüber hinaus grundsätzlich bestehen, soweit die Dienstleistung dafür „unbedingt erforderlich“ ist (Art. 5n Abs. 5). Die Grenze von Beratung und Vertretung scheint dabei nicht wörtlich zu verstehen zu sein. Im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren bleibt auch die vorgerichtliche Beratung möglich.[2] Als Faustformel gilt wohl „streitig = zulässig“.[3]
Die Regelung in Art. 5n Abs. 6 der Verordnung, dass die Dienstleistungen mit den Zielen der Sanktions-Verordnungen im Einklang stehen muss, ist vermutlich nur so zu verstehen, dass Beratungen zur gezielten Umgehung von Sanktionen verboten sind. EU-Berater können aber russische Einrichtungen auch weiterhin vertreten, wenn sie gegen die Aufnahme in die Sanktionsliste oder gegen einzelne Sanktionen klagen.[4]
Darüber hinaus bleibt auch die Rechtsberatung von in Russland niedergelassenen juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen erlaubt, sofern sich diese im Eigentum oder unter der Kontrolle einer nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats, eines dem Europäischen Wirtschaftsraums angehörenden Landes, der Schweiz oder einem Partnerland[5] gegründeten oder eingetragenen juristischen Person, Organisation oder Einrichtung befinden. Die Dienstleistungen dürfen ausschließlich von dieser in Russland niedergelassenen Einrichtung etc. genutzt werden.
III. Folgen der Sanktionen für die Meldepflichten nach dem GwG
Die FIU weist explizit auf die Sanktionslage hin und bittet die Rechtslage sorgfältig zu verfolgen. Im Rahmen von Meldungen, die in diesem Zusammenhang wegen eines Verdachts der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung abgegeben werden, bitte die FIU dringend darum,
- bei der der Darstellung des Sachverhalts den einschlägigen Sanktionstatbestand zu benennen und
- die folgenden Indikatoren zu verwenden: B2305 – Transaktion in/aus Staaten, gegen die beispielsweise die EU oder die UN Sanktionen, Embargos oder ähnliche Maßnahmen verhängt hat/haben.
Ein Beitrag von Julia Passberger, Rechtsanwältin
Quellen:
Rath, Christian, „Sanktionen gegen Russland gelten jetzt auch für die Rechtsberatung“, v. 11.10.2022, Anwaltsblatt;
Zimmermann, Felix, „Russland-Sanktionen betreffen jetzt die Anwaltschaft“, v. 10.10.2022, LTO;
https://www.zoll.de/DE/FIU/Aktuelles-FIU-Meldungen/2022/fiu_sanktionen_gegen_russland.html?nn=290366; https://www.noerr.com/de/newsroom/news/eu-beschliesst-achtes-sanktionspaket-gegen-russland; https://www.bafa.de/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhrkontrolle/Embargos/Russland/Restriktive_Massnahmen_Russland/restriktive_massnahmen_russland.html#:~:text=833%2F2014%20wurde%20das%20Verbot,2b);
[1] Vereinigte Staaten von Amerika, Japan, Vereinigtes Königreich, Südkorea
[2] Vgl. „Sanktionen gegen Russland gelten jetzt auch für die Rechtsberatung“, Anwaltsblatt v. 11.10.2022
[3] Vgl. „Sanktionen gegen Russland gelten jetzt auch für die Rechtsberatung“, Anwaltsblatt v. 11.10.2022
[4] Vgl. „Sanktionen gegen Russland gelten jetzt auch für die Rechtsberatung“, Anwaltsblatt v. 11.10.2022
[5] Vereinigte Staaten von Amerika, Japan, Vereinigtes Königreich, Südkorea