Wie wirkt es sich aus, wenn die Behörden Steuerstraftaten zulassen? Gibt es eine strafrechtsrelevante Mitverantwortung des Staates?

Aktuelles

29.10.2018

Die BGH Entscheidung zur Steuerhinterziehung im (ansonsten legal geführten) Unternehmen vom 15.05.2018 ist veröffentlicht.

Der BGH befasste sich am 15.05.2018 unter anderem auch mit der Frage, wie es sich auswirkt, wenn die Behörden Steuerstraftaten nicht verhindern. Gibt es eine strafrechtsrelevante Mitverantwortung des Staates?

Wesentliche Aspekte der Entscheidung:

  • Die Annahme, es begründe eine Mitverantwortung des Staates für entstandene Steuerschäden, wenn die Behörden weitere Steuerstraftaten zulassen, indem sie den Steuerpflichtigen nicht unverzüglich auf bestehende Anfangsverdachtsmomente hinweisen, geht fehl.
  • Es gibt keinen Anspruch eines Straftäters darauf, dass die Ermittlungsbehörden rechtzeitig gegen ihn einschreiten, um seine Taten zu verhindern.
  • Insbesondere folgt ein solcher Anspruch nicht aus dem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK
  • Ein Straftäter hat auch dann keinen Anspruch auf ein frühzeitiges Eingreifen der Strafverfolgungsbehörden, wenn durch sein Handeln fortlaufend weitere hohe Steuerschäden entstehen.
  • Zwar trifft es zu, dass das Verhalten des Steuerfiskus als Verletztem – nicht anders als bei einem sonstigen Geschädigten einer Straftat – strafmildernd berücksichtigt werden kann, wenn es für den Taterfolg mitverantwortlich war.
  • Jedoch ist zu beachten, dass das Besteuerungssystem auf wahrheitsgemäße Angaben des Steuerpflichtigen angewiesen ist; eine Überprüfung aller steuerrechtlich relevanten Sachverhalte durch die Finanzverwaltung ist ausgeschlossen.
  • Missbraucht ein Täter die systembedingt nicht sehr intensiven Kontrollmechanismen, kann ihm dies nicht zugutekommen.
  • Deswegen ist eine staatliche Mitverantwortung für Steuerverkürzungen regelmäßig nur dann gegeben, wenn das den staatlichen Stellen vorwerfbare Verhalten unmittelbar auf das Handeln des Täters Einfluss genommen hat, etwa weil dieser bislang nicht tatgeneigt war oder ihm wenigstens durch das Verhalten der Finanzbehörden die Tat erleichtert wurde und den staatlichen Stellen die Tatgenese vorgeworfen werden kann

Mit Urteil vom 15.5.2018 – 1 StR 159/17 (jüngst veröffentlicht unter www.bundesgerichtshof.de) hatte sich der Bundesgerichtshof u.a. mit der Frage zu befassen, ob es eine strafrechtsrelevante Mitverantwortung des Staates gibt, wenn die Behörden Steuerstraftaten nicht verhindern.

Bei den Angeklagten selbst handelte es sich um Mitarbeiter einer deutschen Großbank, die am Handel der Bank mit Treibhausgasemissionszertifikaten mitgewirkt und dabei billigend in Kauf genommen haben sollen, dass wegen einer möglichen Einbindung der Bank in Umsatzsteuerkarussellgeschäfte Umsatzsteuer hinterzogen wurde. (BGH, Urteil vom 15.5.2018 – 1 StR 159/17).