Freiwillige Akontozahlung bei Selbstanzeige hemmt Festsetzungsverjährung

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01.01.2019

Wird bei einer steuerlichen Nacherklärung der nachzuzahlende Betrag bereits vor Steuerfestsetzung freiwillig an das Finanzamt überwiesen, entsteht nach Auffassung des Finanzgerichts Bremen ein nicht zahlungsverjährter Erstattungsanspruch, der nach § 171 Abs. 14 AO zur Hemmung der Festsetzungsfrist der Steuernachforderung führen kann.

FG Bremen, Urteil vom 06.06.2018 – Az. 1 K 65/17 (5), Revision zugelassen

Sachverhalt und Verfahrensgang

Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für die Jahre 2002 bis 2011 erstatteten sie im Jahr 2013 Selbstanzeige wegen unversteuerter Kapitaleinkünfte auf Schweizer Konten. Gleichzeitig leisteten sie für die zu erwartende Steuernachforderung freiwillig eine entsprechende Akontozahlung an die Finanzbehörden.

Das Strafverfahren gegen die Eheleute wurde im Dezember 2016 eingestellt. Im steuerrechtlichen Verfahren war streitig, inwieweit Steuerbescheide insbesondere für die Jahre 2002 und 2003 ergehen konnten.

Das Finanzamt übernahm nach Ermittlungen der Steufa im Wesentlichen mit nur geringfügigen Abweichungen die Werte aus der Selbstanzeige und änderte mit Bescheiden vom 27.08.2015 die bisherigen Steuerfestsetzungen ab. Hiergegen wandten sich die Kläger mit der Begründung, die Jahre 2002 und 2003 seien festsetzungsverjährt. Die Bescheide seien erst im Jahr 2015 ergangen. Die zehnjährige Festsetzungsfrist nach § 169 Absatz 2 Satz 2 AO sei für 2002 bereits mit Ablauf des Jahres 2013 und für 2003 mit Ablauf des Jahres 2014 beendet. Weder die einjährige Ablaufhemmung nach § 171 Absatz 9 AO noch die Hemmung der Frist nach § 171 Absatz 5 AO könne dies ändern.

Mit Einspruchsentscheidung vom 7. März 2017 wurden die Einsprüche zurückgewiesen. Die anschließende Klage vor dem Finanzgericht Bremen hatte keinen Erfolg.

Wesentliche Erwägungen

Nach Ansicht des Finanzgerichts Bremen sind die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 rechtmäßig. Für die Jahre 2002 und 2003 ist keine Festsetzungsverjährung eingetreten.

Offen bleibt, ob der Ablauf der Frist nach § 171 Abs. 5 bzw. Abs. 9 AO gehemmt sein könnte. Das Finanzgericht hielt vielmehr den Hemmungstatbestand des § 171 Abs. 14 AO für einschlägig. Aufgrund dieser Regelung läuft die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch nicht ab, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO noch nicht nach § 228 AO zahlungsverjährt ist. Hat etwa ein Steuerpflichtige aufgrund eines unwirksamen Steuerbescheides (z.B. durch einen Bekanntgabefehler) die festgesetzte Steuer beglichen und ist für diese Steuer – ohne § 171 Abs. 14 AO – bereits Festsetzungsverjährung eingetreten, müsste ohne die Regelung des § 171 Abs. 14 AO die erneute Festsetzung wegen Feststetzungsverjährung unterbleiben (vgl. etwa BeckOK AO/Fink AO § 171 Rn. 500). Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 14 AO soll diese nachteilige Folgen für die Finanzbehörden vermeiden und die Rückforderung einer Erstattung verhindern.

In dem Urteil heißt es zu § 171 Abs. 14 AO die Anwendung sei – entgegen der enger gefassten Gesetzesbegründung – nicht auf Fälle der Zahlung von Steuern auf Steuerbescheide beschränkt, die durch Bekanntgabefehler nicht wirksam geworden sind. § 171 Abs. 9 AO verdränge als speziellere Regelung den Hemmungstatbestand des § 171 Abs. 14 AO nicht. Die Voraussetzungen des § 171 Abs. 14 AO seien überdies erfüllt. Ein Erstattungsanspruch sei durch die rechtsgrundlose Zahlung der bis dahin noch nicht beschiedenen Steuerschuld entstanden. Insofern stellt das Finanzgericht auf die Bescheidlage ab. Der Anwendung des § 171 Abs. 14 AO stehe auch nicht entgegen, dass durch die freiwillige Zahlung der Eheleute ein materiell bereits entstandener Steueranspruch erfüllt wurde. Nicht zuletzt bestehe zwischen dem Erstattungsanspruch der Kläger aus ihrer freiwilligen, rechtsgrundlosen Zahlung und der Steuerfestsetzung für 2002 und 2003 der erforderliche Zusammenhang im Sinne des § 171 Absatz 14 AO. Ein solcher bestehe bereits dann, wenn der Erstattungsanspruch und der Steueranspruch denselben Besteuerungszeitraum und denselben Besteuerungsgegenstand betreffen. Dies sei hier zu bejahen.

Ausblick

Die Entscheidung des FG Bremen verdeutlicht einmal mehr die Komplexität von steuerlichen Nacherklärungen. Denn einerseits sind freiwillige Akontozahlungen vor Steuerfestsetzung ein Zeichen der Reue und Mitwirkung. Auch sind Vorabzahlungen zur Unterbindung des Zinslaufs von Bedeutung. Andererseits können freiwillige Vorabzahlungen nach nun geäußerter Ansicht des Finanzgerichts Bremen zu Lasten der Steuerpflichtigen die Festsetzungsverjährung hemmen. Die Frage, ob eine Akontozahlung in Betracht kommt, bleibt in jedem Fall individuell zu beurteilen. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen. Der weitere Verfahrensgang ist abzuwarten.