Willkommen im Zeitalter der Digitalisierung: Zum Unterschrifterfordernis bei mittels beA übermittelten Schriftsätzen (Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 03.05.2022 – 3 StR 89/22)

Aktuelles

21.10.2022

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Johannes Makepeace

Mit Beschluss vom 03.05.2022 hat der 3. Strafsenat entschieden, dass eine Revisionsbegründungsschrift, die über das besondere elektronische Anwaltsfach (beA) übermittelt wird, keiner eingescannten handschriftlichen Unterschrift bedarf.

Im zugrundeliegenden Verfahren hat das OLG Frankfurt a. M. die Revision als unzulässig verworfen, da die Revisionsbegründungsschrift nicht handschriftlich unterzeichnet, sondern am Ende der mittels beA übermittelten PDF-Datei lediglich der Vor- und Familienname des Verteidigers angebracht worden war. Der BGH hob diese Entscheidung auf mit der Begründung, dass eine Revisionsbegründungsschrift nicht handschriftlich unterzeichnet sein muss, wenn sie gemäß § 32d S. 2 StPO elektronisch übersandt wird und die Übermittlung über das beA im Sinne des § 32a Abs. 4 Nr. 2 StPO erfolgt. Für eine wirksame elektronische Übermittlung genügt, wenn der über das beA eingereichte Schriftsatz am Ende mit dem Namen des Rechtsanwalts maschinenschriftlich abgeschlossen wird (vgl. BGH StV-Spezial 2022, 107 [ebd.]).

Die Entscheidung des BGH überzeugt. Ihre Kernaussage, nämlich dass eine über das beA übermittelte Rechtsmittelbegründung nicht zusätzlich mittels (eingescannter) handschriftlicher Unterschrift unterzeichnet werden muss, könnte erst recht auf alle anderen Anwaltsschriftsätze übertragen werden, sofern diese über das beA übermittelt werden.

Zum Ob der elektronischen Übermittlung

Seit dem 01.01.2022 regeln die §§ 32a ff. StPO die elektronische Übermittlung bestimmter Schriftstücke an Gerichte und Strafverfolgungsbehörden. Grundsätzlich besagt § 32a StPO, dassbestimmte Dokumente auch in elektronischer Form den Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden können. Das heißt § 32a StPO tritt neben die originäre Schriftform, die als weitere Übermittlungsmöglichkeit grundsätzlich bestehen bleibt.

Von diesem Grundsatz abgewichen wird bei Schriftstücken, die von Verteidigern und Rechtsanwälten eingereicht werden. Gemäß § 32d S. 1 StPO sollenVerteidiger und Rechtsanwälte den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten all ihre Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln. Unberührt bleibt hingegen die Möglichkeit, entsprechende Erklärungen zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären; § 32d StPO betrifft nur die schriftliche Einreichung von Verfahrenserklärungen (vgl. BT-Drs. 18/9416, S. 51).

Diese Sollvorschrift erstarkt gemäß § 32d S. 2 StPO zur Rechtspflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument bei den folgenden, abschließend aufgeführten Erklärungen und Begründungen von Rechtsmitteln (sofern die Übermittlung als elektronisches Dokument nicht ausnahmsweise aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, § 32d S. 3 StPO):

  • die Berufung und ihre Begründung,
  • die Revision und ihre Begründung sowie die Gegenerklärung,
  • die Privatklage und
  • die Anschlusserklärung bei der Nebenklage.

Bei der Übermittlungspflicht gemäß § 32d S. 2 StPO handelt es sich somit um eine echte Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Prozesshandlung, welche bei Nichteinhaltung deren Unwirksamkeit zur Folge hat (vgl. BT-Drs. 18/9416, S. 51; Valerius BeckOK-StPO, 44. Ed. 2022, § 32d Rn. 4 m. w. N.). Bei der Sollvorschrift des § 32d S. 1 StPO ist bei Nichtbefolgung hingegen mit keinen Konsequenzen zu rechnen (Graf KK-StPO, 8. Aufl. 2019, § 32d Rn. 2). Und auch sonstige Verfahrensbeteiligte wie der Beschuldigte oder Nebenkläger müssen ihre Erklärungen, sofern sie diese selbst übermitteln, nicht als elektronisches Dokument einreichen. Dies gebietet ihr Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BT-Drs. 18/9416, S. 51 f.; Valerius BeckOK-StPO § 32d Rn. 1). Jene gewinnen vielmehr durch § 32a StPO eine weitere Übermittlungsmöglichkeit hinzu.

Zum Wie der elektronischen Übermittlung

Das Wie der elektronischen Übermittlung regelt abschließend § 32a StPO. Für Dokumente, die „schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen“ sind – also solche Dokumente, bei denen der Gesetzgeber die Schriftform angeordnet hat (z. B.  § 158 Abs. 2, § 314 Abs. 1 oder wie im vorliegenden Verfahren § 345 Abs. 2 StPO) – gelten die in § 32a Abs. 3 StPO normierten besonderen Anforderungen. Vorgeschrieben ist dann entweder eine qualifizierte elektronische Signatur oder (alternativ) das Einreichen des einfach signierten Schriftstücks auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 32a Abs. 4 StPO (BT-Drs. 18/9416, S. 45). Diese Alternativen gewährleisten den für die elektronische Übermittlung erforderlichen sicheren Identitätsnachweis und genügen dem Unterzeichnungserfordernis bei Rechtsmitteln. Als sicherer Übermittlungsweg gilt gemäß § 32a Abs. 4 S. 1 Nr.  2 StPO das für Rechtsanwälte vorgesehene beA nach § 31a BRAO.

Schon vor der Entscheidung des 3. Strafsenats war unstreitig, dass für die formwirksame Übermittlung eines elektronischen Dokuments auf diesem Weg eine „einfache Signatur“ genügt und es somit keiner qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person bedarf (Valerius BeckOK-StPO § 32a Rn. 11).

Der 3. Strafsenat hat nunmehr klargestellt, dass eine einfache Signatur eines elektronischen Dokuments im Sinne des § 32a Abs. 3 StPO dann gegeben ist, wenn der bürgerliche Namen der Person, die den Schriftsatz verantwortet, maschinenschriftlich – das heißt nichts anderes als abgetippt – unterhalb des Textes in dem relevanten Dokument angebracht ist.

Die Authentizität des elektronischen Dokuments wird nämlich bereits dadurch gewährleistet, dass der Rechtsanwalt den Schriftsatz über das beA als gesetzlich vorgesehenen sicheren Übermittlungsweg übersendet hat. Als einzige Einschränkung ist zu beachten, dass der Verteidiger oder Rechtsanwalt den von ihm verfassten Schriftsatz selbst über sein eigenes beA-Postfach versenden muss. Nur wenn es an dieser Identität fehlt, ist das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht (vgl. BGH StV-Spezial 2022, 107 [108]; Leuering NJW 2019, 2739 [2741]; Schmieder/Liedy NJW 2018, 1640 [1642 f.]).

Somit ist die Einfügung einer zusätzlichen eingescannten Unterschrift nicht erforderlich, sondern lediglich – ihre Lesbarkeit vorausgesetzt – eine weitere mögliche Form der einfachen Signatur (vgl. bereits BAG NJW 2020, 3476 [3477]; Leuering NJW 2019, 2739 [2741]) Mit anderen Worten: Scannt die für den Schriftsatz verantwortliche Person zusätzlich eine (lesbare) handschriftliche Unterschrift ein, ist der Schriftsatz doppelt „einfach signiert“.

Fazit

Die begrüßenswerte und zeitgemäße Entscheidung des 3. Strafsenats wird man wohl auf jeden mittels beA eingereichten Verteidigerschriftsatz übertragen können.

Genügt die Übermittlung einer mittels beA eingereichten Revisionsbegründung mit lediglich maschinenschriftlicher Unterschrift bereits den besonderen Anforderungen des § 32a Abs. 3, Abs. 4 StPO, so hat dies erst recht für solche Schriftsätze zu gelten, bei denen das Gesetz kein besonderes Formerfordernis vorschreibt.  

Praktisch gesehen, wird man es deshalb als ausreichend erachten können, wenn ein Rechtsanwalt seinen Schriftsatz am Rechner anfertigt, diesen maschinenschriftlich mit der Wiedergabe seines bürgerlichen Namens abschließt – also seinen Namen unterhalb des Textes tippt –, den Schriftsatz als PDF-Datei speichert und sodann direkt über sein beA-Postfach an das Gericht übermittelt. Die wenig nachhaltige Praxis, dass der Rechtsanwalt seinen Schriftsatz zuerst ausdruckt, handschriftlich unterschreibt, wieder eingescannt und erst dann via beA übermittelt, sollte damit der Vergangenheit angehören. Es bleibt abzuwarten, wie die Instanzgerichte mit diesem vom BGH aufgezeigtem Weg umgehen werden. Willkommen im Zeitalter der Digitalisierung!