Auch nach Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens im Jahr 2022 hat es bis zum 12.05.2023 gedauert, bis ein konsensfähiges Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1937 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (im Weiteren nur Whistleblowing‑RL) vom Deutschen Bundestag angenommen wurde. Die Umsetzungsfrist – bis zum 17.12.2021 – war zu diesem Zeitpunkt bereits über ein Jahr abgelaufen.
Tatsächlich tritt nun aber zum 02.07.2023 ein Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (kurz Hinweisgeberschutzgesetz oder HinSchG) in Kraft. Daher ist es unerlässlich sich spätestens jetzt mit den weitreichenden Neuregelungen zu befassen.
Dabei darf ein kurzer Blick auf das Gesetzgebungsverfahren nicht fehlen. Die Ampel-Koalition hatte „bereits“ im Jahr 2022 einen ersten Regierungsentwurf vorgelegt. Dieser wurde auch am 16.12.2022 vom Bundestag angenommen, nur um dann in der Plenarsitzung des Bundesrates am 10.02.2023 die erforderliche Mehrheit zu verfehlen. Im Anschluss daran entschied sich die Bundesregierung das Gesetz in zwei Teile aufzuspalten, um die nicht zustimmungsbedürftigen Aspekte des Hinweisgeberschutzgesetz „am Bundesrat vorbei“ verabschieden zu können. In einem zweiten Gesetzentwurf „zur Ergänzung der Regelungen zum Hinweisgeberschutz“ sollten Ausnahmen wieder aufgehoben und der Anwendungsbereich erweitert. Auch dieses Vorgehen führte allerdings nicht zum erhofften Erfolg. Schlussendlich ist es erst nach einem Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 09.05.2023 gelungen ein mehrheitsfähiges Gesetz zu schaffen.
Inhaltlich setzt sich das Hinweisgeberschutzgesetz aus verschiedenen Artikeln zusammen, da darin zusätzliche Änderungen bereits bestehender Gesetze vorgesehen sind, und enthält verschiedene zentrale Regelungselemente.
Der 1. Abschnitt (§§ 1‑6 HinSchG) enthält allgemeine Vorschriften, die beispielsweise den persönlichen sowie den sachlichen Anwendungsbereich und verschiedene Begriffsbestimmungen umfassen. Im 2. Abschnitt (§§ 7‑31 HinSchG), der sich in verschiedene Unterabschnitte untergliedert, sind Vorschriften zu gleichwertig nebeneinanderstehenden internen und externen Meldekanälen vorgesehen. Im daran anschließenden Abschnitt, der nur aus § 32 HinSchG besteht, werden die Voraussetzungen festgelegt, unter denen ein Hinweisgeber sich an die Öffentlichkeit wenden darf. Daran anknüpfend werden sowohl für Hinweisgeber und bestimmte Dritte als auch für Betroffene Schutzmaßnahmen etabliert (§§ 33‑39 HinSchG). Abgerundet wird das Gesetz in den letzten beiden Abschnitten noch durch Bußgeldvorschriften (§ 40 HinSchG) sowie zwei Schlussvorschriften (§§ 41, 42 HinSchG).
Im Folgenden sollen allerdings vor allem die §§ 1‑7, 32‑35 und 40 HinSchG in der gebotenen Kürze beleuchtet werden.
1 HinSchG enthält Bestimmungen zur Zielsetzung sowie zum persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes samt einer Legaldefinition des Begriffs „hinweisgebende Person“. Der Anwendungsbereich soll dabei nach dem Willen des Gesetzgebers möglichst umfassend ausgestaltet sein, um den Vorgaben der Richtlinie gerecht zu werden. Nach dieser Regelung genießen zukünftig natürliche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach diesem Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen. Darüber hinaus sollen auch Personen geschützt werden, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind, oder sonst davon betroffen sind, § 1 Abs. 2 HinSchG, und nach § 34 Abs. 1 HinSchG auch die Unterstützer von hinweisgebenden Personen.
Durch § 2 HinSchG wird der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes abgesteckt. Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, über die bloßen Mindestvorgaben der Richtlinie hinaus zu gehen und zusätzliche Regelungsbereiche zu erfassen. Die teils langen Aufzählungen in dieser Norm wecken allerdings Befürchtungen, dass für Laien nicht nur unerhebliche Unsicherheiten begründet werden, und gehen zu Lasten der Rechtsklarheit. Dieses Problem wird durch §§ 4, 5 HinSchG noch verschärft. Dies verweisen auf verschiedene, vorrangige Regelungen zum Hinweisgeberschutz aus anderen Gesetzen sowie diverse Beschränkungen des Anwendungsbereichs. Weitere Probleme sind auch wegen der Begriffsbestimmungen in § 3 HinSchG zu erwarten. Indes sollen aber auch positive Aspekte hervorgehoben werden. Es bestanden bei der Umsetzung des Verstoßbegriffs aus Art. 5 Nr. 1 Whistleblowing‑RL in § 3 Abs. 2 HinSchG zwar keine echten Spielräume für den Gesetzgeber, sodass es sich wohl nicht vermeiden ließ ein kaum umgrenztes Merkmal zu schaffen. In der Gesetzesbegründung wurde dafür aber der Versuch unternommen den Begrifflichkeiten durch Verweise auf Urteile des EuGH schärfere Konturen zu verleihen.
Die Regelung des § 7 HinSchG erweist sich hingegen als geglückt(er). Nach Abs. 1 S. 1 dieser Vorschrift können die hinweisgebenden Personen wählen, „ob sie sich an eine interne Meldestelle (§ 12) oder eine externe Meldestelle (§§ 19 bis 24) wenden.“ Nach § 7 Abs. 1 S. 2 HinSchG soll in Fällen, in denen intern wirksam gegen Verstöße vorgegangen werden kann und keine Repressalien zu befürchten sind, die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugt werden. Unklar ist allerdings, welche Folgen diese Sollvorschrift in der Praxis haben wird. Der nationale Gesetzgeber ist jedenfalls nicht dazu befugt, dass in der Whistleblowing-RL vorgesehene gleichwertige Nebeneinander von internem und externem Vorgehen zu untergraben. Jedenfalls bis zur abschließenden Klärung bietet es sich daher aus der Sicht von Unternehmen an, zusätzlich ein eigenes Anreizsystem zu schaffen, um interne Meldungen im Verhältnis zum externen Gang zu den Behörden attraktiver zu gestalten. Auf diese Weise wird das Risiko reduziert unvorbereitet mit – womöglich unberechtigten – Vorwürfen konfrontiert zu werden, die intern leicht hätten aufgeklärt werden können. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Gesetzgeber in § 32 HinSchG hohe Hürde für die Offenlegung – also den Gang an die breite Öffentlichkeit – festgelegt hat.
Im 4. Abschnitt enthält das Gesetz in den §§ 33‑35 HinSchG Erlaubnissätze zum Schutz der hinweisgebenden Personen. Diese werden durch die Regelung des § 6 HinSchG flankiert, der insbesondere das Verhältnis von Hinweisgeber- und Geschäftsgeheimnisschutz regelt. Inhaltlich ist es dem – weitgehend – gelungenen ein ausgewogenes System zu schaffen. So kommt es zunächst darauf an, dass die im Gesetz festgelegten Meldewege beachtet werden, § 33 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG. Weiter müssen Hinweisgeber betreffend den gemeldeten Verstoß, § 33 Abs. 1 Nr. 2 HinSchG, und die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs, § 33 Abs. 1 Nr. 3 HinSchG, – zumindest – gutgläubig handeln. Dabei soll eine ex‑ante‑Betrachtung vorgenommen werden, bei der sich die Einschätzung des Hinweisgebers auf tatsächliche Anhaltspunkte stützen lassen muss. Positiv ist ferner, dass vor einer etwaigen Meldung Aufklärungsbemühungen des Hinweisgebers geboten sind.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, können die hinweisgebenden Personen nach § 35 Abs. 1 HinSchG „nicht für die Beschaffung von oder den Zugriff auf Informationen, die sie gemeldet oder offengelegt hat, rechtlich verantwortlich gemacht werden, sofern die Beschaffung nicht als solche oder der Zugriff nicht als solcher eine eigenständige Straftat darstellt.“ Nach Abs. 2 der Vorschrift können sich auch „nicht für die bei einer Meldung oder Offenlegung erfolgte Weitergabe von Informationen rechtlich verantwortlich gemacht werden, sofern sie hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die Weitergabe der Informationen erforderlich war, um einen Verstoß aufzudecken.“ Sie genießen also umfassenden Schutz, sowohl in zivilrechtlicher als auch in strafrechtlicher Hinsicht.
Abgerundet wird das Gesetz durch die Ordnungswidrigkeiten aus § 40 HinSchG. Diese sollen sowohl eine Untergrabung des Hinweisgeberschutzes als auch das Risiko falscher Beschuldigungen reduzieren. So wird beispielsweise das Nicht- oder fehlerhafte Unterhalten und damit letztlich das Beinträchtigen von Kommunikationswegen sanktioniert, § 40 Abs. 2, 3 HinSchG. Weiter drohen Bußgelder, wenn Hinweisgeber Repressalien ausgesetzt werden, § 40 Abs. 2 Nr. 3 HinSchG. Neben drohenden Reputationsschäden sollten Unternehmen daher allein schon zur Vermeidung hoher Bußgelder auf eine ordnungsgemäße Umsetzung der Vorschriften zum Hinweisgeberschutz achten. Über den „Umweg“ des § 40 HinSchG spielen nämlich nun auch hier die §§ 30, 130 OwiG zukünftig eine wichtige Rolle. Umgekehrt wird auch die wissentliche Offenlegung von falschen Informationen mit Bußgeldern belegt, § 40 Abs. 1 HinSchG. Durch diese Regelung werden bestehende Schutzmechanismen aus dem StGB wie das Vortäuschen einer Straftat nach § 145d StGB, die falsche Verdächtigung nach § 164 StGB sowie die Verleumdung nach § 187 StGB ergänzt.
Diesen kurzen Streifzug vorangestellt, wird deutlich, dass sowohl auf Seiten der Hinweisgeber als auch auf Seiten der betroffenen Unternehmen zukünftig hoher Beratungsbedarf bestehen wird.
Rechtsanwalt