Aktuelle EU-Gesetzgebung zum Whistle-Blowing: EU führt Hinweisgebersystem ein – Umsetzung in nationales Recht folgt – Erheblicher Aufwand für Unternehmen zu erwarten
Am 16.04.2019 hat das EU-Parlament eine europaweit geltende Richtlinie für den Hinweisgeberschutz („Whistleblower-Richtlinie“, 2018/106 COD) verabschiedet. Der nationale deutsche Gesetzgeber hat nun maximal zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Per 26.09.2018 hatte es dazu auch bereits einen Vorstoß der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BT-Drucksache 19/4558) gegeben, nachdem Versuche von 2012 und 2014 gescheitert waren..
Die Richtlinie soll den Schutz der Hinweisgeber (Whistle-Blower) verbessern und hat dafür Regelungsmechanismen geschaffen, die insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen eine große Herausforderung und ein nicht zu unterschätzender Aufwand bedeuten werden. Nach der Richtlinie besteht künftig für Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten oder mehr als 10 Millionen Euro Jahresumsatz die Pflicht zur Entgegennahme von Hinweisen („Hinweisgebersystem“). Das Meldesystem ist dabei klar definiert: Whistleblower müssen künftig Hinweise schriftlich, telefonisch oder mündlich abgeben können. Die Wahrung der Vertraulichkeit muss dabei gewährleistet sein. Zwecks Schaffung von Vertrauen in die Wirksamkeit des Meldesystems sind künftig die Whistleblower innerhalb von drei Monaten über die eingeleiteten Folgemaßnahmen zu informieren. Die Richtlinie sieht ein dreistufiges Meldesystem vor: der Whistleblower soll den Missstand zunächst intern melden. Leitet die intern zuständige Stelle im Unternehmen innerhalb von drei Monaten keine entsprechenden Abhilfemaßnahmen ein, darf sich der Whistleblower an die zuständige Behörde wenden. Bei dem Verdacht schwerwiegender Straftaten darf er das auch direkt. Unter bestimmten Voraussetzungen darf er sogar an die Öffentlichkeit gehen. Damit der Whistleblower künftig vor Repressalien des Arbeitgebers geschützt wird, wird arbeitsrechtlich eine Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitgebers eingeführt, denn er muss künftig beweisen, dass die Kündigung keine Vergeltungsmaßnahme darstellt und im Zusammenhang mit dem Hinweis steht. Schließlich sieht die Richtlinie eine Pflicht für die Mitgliedstaaten zur Schaffung externer Whistleblowing-Behörden vor. Zwar kommen hierfür grundsätzlich auch bereits bestehende Behörden (wie Staatsanwaltschaften) in Betracht, jedoch erfasst die Whistleblower-Richtlinie auch den Bereich unterhalb der Strafbarkeit, so dass wohl die Erschaffung von weiteren zuständigen behördlichen Stellen ansteht.
Das Bundesministerium für Justiz wird die Umsetzung vorbereiten. Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Anforderungen – womöglich über die Richtlinie hinaus – aufgestellt werden. Deshalb sollten Unternehmen die Entwicklung schon jetzt genau beobachten und anfangen, entsprechende Vorkehrungen zur Implementierung eines wirksamen Hinweisgebersystems zu treffen, um nicht nach der Transformation der Richtlinie in deutsches Recht Zeitdruck für die Umsetzung zu erleiden. Es ist damit zu rechnen, dass erhebliche Sanktionen verhängt werden können, wenn das Hinweisgebersystem nicht erstellt oder der Richtlinie entsprechend umgesetzt wird. Das Hinweisgebersystem wird also zukünftig Teil der zu beachtenden Compliance im Unternehmen darstellen.