Steuerhinterziehung im Unternehmen: Wann liegt eine Bande vor?

Aktuelles

08.10.2018

Der BGH hat eine Entscheidung zur konkludenten Bandenabrede bei Steuerhinterziehung im Unternehmen veröffentlicht.

Der BGH befasste sich aktuell mit der Frage,

  • wann bei Mitarbeitern eines Unternehmens (hier: Mitarbeiter der Steuerabteilung einer Bank) eine „Bande“ im Sinne des Strafgesetzbuches bzw. der besonders schweren Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 AO) angenommen werden kann sowie etwa damit,
  • dass die notwendige sog. Bandenabrede auch konkludent getroffen werden kann und damit besondere Nachweisverpflichtungen für die Gerichte und Staatsanwaltschaften scheinbar entfallen
  • dass trotz Einrichtung einer Steuerabteilung, Compliance-Abteilung und der Einschaltung mehrerer Sondergremien bedingter Vorsatz bei den Mitarbeitern des Unternehmens angenommen werden kann,

Besondere Konsequenzen:

  • Die bandenmäßige Steuerhinterziehung führt zu einer Bestrafung in einem Rahmen von Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (in der Regel also keine Geldstrafe).
  • Der Verdacht für eine bandenmäßige Steuerhinterziehung erlaubt besondere Ermittlungs- und Überwachungshandlungen (z.B. Telefonüberwachungsmaßnahmen i.S.d. § 100a Abs. 2 Nr. 2 lit. a StPO).
  • Die bandenmäßige Steuerhinterziehung ist taugliche Vortat für Geldwäschehandlungen i.S.d. § 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 lit. b StGB.

Mit Urteil vom 15.5.2018 – 1 StR 159/17 (jüngst veröffentlicht unter www.bundesgerichtshof.de) hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage zu befassen, wann und unter welchen Voraussetzungen eine konkludente Bandenabrede innerhalb eines Unternehmens anzunehmen sein soll, wenn sämtliche Beteiligte einem Unternehmen angehören, das grundsätzlich legale Zwecke verfolgt, die beteiligten Mitarbeiter selbst aber keine Steuerpflichtigen sind und wenn es sich bei den Taten um bedingt vorsätzliche Steuerhinterziehungen handelt (Rn. 150 ff. der Entscheidung). Dabei handelt es sich offensichtlich um ein durchaus „klassisch“ organisiertes Unternehmen, welches im vorliegenden Fall wohl auf Seiten eines sog. Distributers als Teil eines sog. Umsatzsteuerkarussells tätig geworden sein soll.

Der 1. Strafsenat hat in diesem Verfahren die Annahme des Landgerichts, es liege eine konkludente Bandenabrede vor, als rechtsfehlerfrei angesehen.

Bei den Angeklagten selbst handelte es sich um Mitarbeiter einer deutschen Großbank, die am Handel der Bank mit Treibhausgasemissionszertifikaten mitgewirkt und dabei billigend in Kauf genommen haben sollen, dass wegen einer möglichen Einbindung der Bank in Umsatzsteuerkarussellgeschäfte Umsatzsteuer hinterzogen wurde. Der Wertung des Landgerichts, dass die Angeklagten als Mitglieder einer Bande im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO tätig geworden seien, stünde weder entgegen, dass sie nur mit Eventualvorsatz gehandelt hätten, noch, dass die Bandenabrede nur konkludent getroffen wurde (BGH, Urteil vom 15.5.2018 – 1 StR 159/17).

In der Entscheidung des BGH heißt es auszugsweise (Rn. 155 – 157):

„Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straf-taten des im Gesetz genannten Deliktstyps (hier: fortgesetzte Hinterziehung der Umsatzsteuer) zu begehen. Ein „gefestigter Bandenwille“ oder ein „Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse“ ist nicht erforderlich; ebenso wenig ein Mindestmaß an konkreter Organisation oder festgelegter Strukturen (…). Erforderlich ist eine – ausdrücklich oder konkludent getroffene – Bandenabrede, bei der das einzelne Mitglied den Willen hat, sich mit mindestens zwei anderen Personen zur Begehung von Straftaten in der Zukunft für eine gewisse Dauer zusammenzutun (…). Als Bandenmitglied ist anzusehen, wer in die Organisation der Bande eingebunden ist, die dort geltenden Regeln akzeptiert, zum Fortbestand der Bande beiträgt und sich an den Straftaten als Täter oder Teilnehmer beteiligt (…). Nicht erforderlich ist hingegen, dass sich alle Bandenmitglieder persönlich miteinander verabreden oder einander kennen (…). Eine Bandenabrede setzt auch nicht voraus, dass sich die Bandenmitglieder gleichzeitig absprechen. Sie kann etwa durch aufeinander folgende Vereinbarungen entstehen, die eine bereits bestehende Vereinigung von Mittätern zu einer Bande werden lassen, oder dadurch zustande kommen, dass sich zwei Täter einig sind, künftig Straftaten mit zumindest einem weiteren Beteiligten zu begehen, und der Dritte, der durch einen dieser beiden Täter über ihr Vorhaben informiert wird, sich der deliktischen Vereinbarung – sei es im Wege einer gemeinsamen Übereinkunft, gegenüber einem Beteiligten ausdrücklich, gegenüber dem anderen durch sein Verhalten oder nur durch seine tatsächliche Beteiligung – anschließt. Dabei kann es sich um den Anschluss an eine bereits bestehende Bande handeln; ebenso kann durch den Beitritt erst die für eine Bandentat erforderliche Mindestzahl von Mitgliedern erreicht werden. Es genügt, dass sich jeder bewusst ist, dass neben ihm noch andere mitwirken und diese vom gleichen Bewusstsein erfüllt sind (…).“

Auch innerhalb eines Unternehmens können Mitarbeiter einverständlich und anhaltend an der Verkürzung von Unternehmenssteuern mitwirken. Dies traf vorliegend auf die mit dem Geschäftsgegenstand „Handel mit CO2-Zertifikaten“ befassten Angeklagten Ho. , H. und K. zu und wird durch den Ausbau dieses Geschäftsfelds mit der Konzentration des CO2-Handels auf die Abteilung CMS-Region Mitte des Angeklagten H. belegt, wobei der Zweck des koordinierten Zusammenwirkens in dem Abschluss der lukrativen, mit dem Makel der Umsatzsteuerhinterziehung behafteten Steigerung des Gewinns der Abteilung CMS-Region Mitte und der damit verbundenen Steigerung des Ansehens der Mitwirkenden innerhalb der Bank lag. Dass Steuerpflichtiger allein die D. AG als Aktiengesellschaft war, steht der Annahme einer Bande nicht entgegen wie den Gesetzesmaterialien zu entnehmen ist. Dort (…) heißt es: „Da der Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 AO nicht nur vom Steuerpflichtigen selbst begangen werden kann, sondern auch von anderen natürlichen Personen, die nicht zum eigenen Vorteil handeln müssen, sondern auch zum Vorteil Dritter handeln können, kommt als Mitglied einer solchen Bande auch jede andere mitwirkende Person in Betracht, selbst wenn sie nur in untergeordneter Tätigkeit als Gehilfe eingebunden ist“. Steuerhinterziehung durch aktives Tun ist ein „Jedermannsdelikt“. Täter einer Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO kann nicht nur der Steuerpflichtige sein. Vielmehr kommt als Täter einer Steuerhinterziehung durch aktives Tun grundsätzlich jedermann in Betracht („wer“), sofern er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht.