Das Strafrecht und der Vermögensbegriff

Aktuelles

01.02.2019

Dass das Strafrecht „Ultima Ratio“ ist und keinesfalls probates Mittel zur Lösung sämtlicher zivilisatorischer Probleme gehört zu den rechtlichen Grundaussagen, die der Jurastudent schon im ersten strafrechtlichen Semester erfährt. Dennoch gibt es kaum ein Prinzip, das ähnlich oft in Vergessenheit gerät, vom juristischen Laien nicht akzeptiert und vom Juristen ignoriert wird. Dabei wäre es gut, wenn nicht nur die Grenzen des Strafrechts genau beachtet würden, sondern auch innerhalb des Strafrechts beim Hantieren mit Tatbestandsmerkmalen nicht aus dem Blick verloren würde, welche Konsequenzen ein allzu freier Umgang mit dem Strafrecht haben kann.

Sehr deutlich geworden ist dies an einer Entscheidung des 5. Strafsenats des BGH, die sich mit der Anwendung des Vermögensbegriffs befasste (BGH Urteil vom 11.04.2018, 5 StR 597/17). In dem zu beurteilenden Sachverhalt hatte ein syrischer Flüchtling versucht, mit Funktionären des „Islamischen Staates“ (IS) Kontakt aufzunehmen, um diese zu erheblichen Geldzahlungen an ihn zu bewegen. Er hatte einem (vermeintlichen) Funktionär des IS vorgespiegelt, er wollte Autos kaufen und diese dann mit erheblichem Sprengstoff bestücken, um sie an zentralen Punkten explodieren zu lassen, sodass es richtig viele, wenigstens über 1000 Tote geben würde. Für den angeblich beabsichtigten Kauf der Pkw, der von ihm ebenso wie der weitere Tatplan nur vorgetäuscht war, wollte er deshalb von der IS einen Betrag in 6-stelliger Höhe erhalten.

Das Geschehen flog auf und der Bundesgerichtshof hat in der oben zitierten Entscheidung die Verurteilung des Syrers zu einer Freiheitsstrafe wegen versuchten Betrugs zum Nachteil des IS bestätigt. Der Strafsenat hat dabei darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung in ständiger Rechtsprechung bei der Beurteilung von Vermögensschäden den wirtschaftlichen Vermögensbegriff zu Grunde läge und es keinen Anlass gäbe, hiervon abzuweichen. Auch der IS könne geschädigt werden.

Diese apodiktische Entscheidung des BGH sollte zumindest zum Nachdenken anregen. Es ist natürlich richtig, dass es verschiedene Vermögensbegriffe gibt, deren Anwendung unterschiedliche Vor- und Nachteile mit sich bringt. Aber es gibt auch einen Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung und ein Wertegefüge. Ist das deutsche Strafrecht wirklich dafür da, zum Schutz mörderischer Organisationen wie des IS zu handeln? Schon die gesetzgeberische Wertentscheidung hierzu ist eindeutig. Ein Handeln gegen die Unversehrtheit anderer Personen ist ebenso verboten wie die Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen oder sogar neuerdings explizit die Terrorismusfinanzierung (§ 89 c StGB). Diesen Wertentscheidungen ist nun die Konsequenz aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs gegenüberzustellen und die Frage muss erlaubt sein: Kann ein strafrechtliches Ergebnis wirklich richtig sein, welches hervorbringt, dass es eine Schutznorm zu Gunsten des IS gibt?

Man stelle sich dies auch in der Praxis weiter vor: Nach der nunmehr „schrankenlosen Nebenklage“ ist es rechtlich jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass auch ein Geschädigter eines Betrugs Nebenkläger sein kann. Nebenklagefähig ist grundsätzlich auch eine juristische Person. Soll darüber diskutiert werden, ob es möglich ist, dass der IS als Nebenkläger vor einem deutschen Gericht seine Interessen wahrnehmen darf? Ist dies gesetzgeberisch gewolltes deutsches Strafrecht?

Es scheint an der Zeit, sich mit dem Vermögensbegriff des Strafrechts genauer zu befassen.