Das Jahr 2020 bringt weitreichende Änderungen im Strafverfahrensrecht

Aktuelles

27.01.2020

Mit Beginn des Jahres 2020 wird sich die Strafverteidigung darauf einzustellen haben, mit weitreichenden Änderungen des Strafverfahrens umzugehen. Der Gesetzgeber war gerade noch auf den letzten Metern des alten Jahres fleißig und hat viel diskutierte, zum Teil heftig umstrittene Regelungen auf den Weg gebracht, die leider zum Teil trotz anderslautender Überschriften erhebliche Beschränkungen von Beschuldigtenrechten mit sich bringen werden. Die wichtigste Veränderung dürfte dabei das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 (BGBl. I  S. 2121) sein, das am 13.12.2019 verkündet wurde. Fast ebenso wichtig ist aber das am gleichen Tag verkündete Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BGBl. I S. 2128).

Beide Gesetze – seit ihren ersten Entwürfen nur wenig verändert – werden bei der Strafverteidigung besonders aufmerksam zu beachten sein. Dabei stärkt das Recht der notwendigen Verteidigung auf den ersten Blick die Rechtsposition des Beschuldigten, der nun sehr viel früher einen Verteidiger beanspruchen kann (vgl. insbesondere § 141 Abs. 2 StPO n.F.). Allerdings wird diese Regelung durch § 141a StPO n.F. abgeschwächt, wonach der Beschuldigte entweder auf die Bestellung eines Pflichtverteidigers verzichten kann oder aber unter besonderen Voraussetzungen (§ 141a Nr. 1 und Nr. 2 StPO  n.F.) eine Pflichtverteidigerbestellung nicht geboten ist.

Man darf gespannt sein, wie die Praxis mit dieser „Springprozession“ umgehen wird.

Das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens bringt hingegen nicht nur deutliche Änderungen insbesondere im Befangenheits- und Besetzungsrecht (das durch die Abkopplung vom Revisionsrecht zum „zahnlosen Tiger“ wird), sondern auch hinsichtlich eines Kerns der Verteidigung, des Beweisantragsrechts. Bemerkenswert ist vor allem, dass der Gesetzgeber erstmals durch § 244 Abs. 3 StPO n.F. eine Definition des Beweisantrags vorgenommen hat. Dabei ist nun auch als Voraussetzung für das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Beweisantrages das Erfordernis der Konnexität aufgenommen worden („… dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll“).

Besonders beachtlich ist weiterhin, dass der numerus clausus der Ablehnungsgründe eine Verkürzung erfahren hat. Der Ablehnungsgrund der Prozessverschleppungsabsicht ist weggefallen. Liegt Prozessverschleppungsabsicht vor, muss vielmehr das Gericht gemäß § 244 Abs. 6 StPO n.F. den Antrag nicht mehr als Beweisantrag ablehnen. Ob diese Regelung allerdings tatsächlich die offensichtlich vom Gesetzgeber für notwendig erachtete Verfahrensvereinfachung mit sich bringen wird, wird ebenfalls abzuwarten sein. Denn es dürfte nahe liegen, dass sich eine Verteidigung, deren Antrag eine Sachbehandlung gemäß § 244 Abs. 6 StPO n.F. erfährt, sich hiergegen mit dem Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO wehren wird, der dann wiederum eine Entscheidung des Gerichts erfordert.

Das neue Jahr 2020 bringt aber auch tatsächliche Modernisierungen des Strafverfahrens mit sich. Mit dem 01.01.2020 ist u.a. die Vorschrift des § 136 Abs. 4 StPO in Kraft getreten, nach der die Vernehmung des Beschuldigten in Bild und Ton aufgezeichnet werden kann und unter näher geregelten Voraussetzungen sogar zwingend aufzuzeichnen ist.

Diese Neuregelung ist ausdrücklich zu begrüßen, weil von einer Aufzeichnung zu erwarten ist, dass trotz aller möglicherweise auch noch bei einer Videovernehmung bestehenden Unklarheiten nicht nur viele Streitfragen in einer Hauptverhandlung später besser geklärt werden können, sondern allein die Tatsache der Vernehmung auch schon regulierende Wirkung bei der Durchführung der Vernehmung hat. Die Einführung der Videovernehmung stellt darüber hinausgehend einen weiteren gewichtigen Meilenstein auf dem Weg in ein transparenteres Strafverfahren dar.