Der zulässige Strafantrag – Antragsprobleme und Verteidigungschancen durch den elektronischen Rechtsverkehr

Aktuelles

11.10.2022

1.

Seit dem 01.01.2022 regelt § 32d StPO die Einreichung von Schriftsätzen und deren Anlagen durch Verteidiger und Rechtsanwälte bei Gerichten und Strafverfolgungsbehörden. Dabei ist nun zu beachten, dass die Berufung und ihre Begründung, die Revision, ihre Begründung und die Gegenerklärung sowie die Privatklage und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit mittels eines elektronischen Dokuments zu übermitteln sind (§ 32d Satz 2 StPO).

Welche Anforderungen an die Übermittlung zu stellen sind, regelt § 32a StPO.

Dass die Verpflichtung zur Einreichung elektronischer Dokumente hinsichtlich der in § 32d Satz 2 StPO aufgeführten Handlungen Wirksamkeitsvoraussetzung für die Erklärung ist, kann derzeit den Blick dafür trüben, dass es auch außerhalb des § 32d StPO Erklärungen gibt, deren Wirksamkeitsvoraussetzungen ebenfalls an den elektronischen Rechtsverkehr gekoppelt sind. Dieses bietet sowohl Gefahren bei der Handhabung, führt andererseits aber auch zu neuen Verteidigungschancen.

2.

Zwei Beispielsfälle seien hierfür genannt, mit denen sich die Rechtsprechung in diesem Jahr bereits beschäftigen musste. 

2.1.

Das Wiedereinsetzungsrecht sieht als Anforderung an einen Wiedereinsetzungsantrag vor, dass auch die versäumte Handlung innerhalb der Frist nachgeholt wird (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dabei darf nicht übersehen werden, dass es natürlich nicht ausreichend sein kann, die versäumte Handlung in irgendeiner Form nachzuholen. Sie muss vielmehr in der Form nachgeholt werden, die den gestellten Wirksamkeitsanforderungen entspricht. Über einen solchen Fall hatte das Oberlandesgericht Oldenburg (Beschluss v. 25.02.2022 – 1 Ss 28/22, StraFo 2022, S. 147) zu entscheiden. Hier hatte der Verteidiger nach Hinweis des Gerichts auf eine nicht vorliegende Revisionsbegründung mit einer Übersendung der Begründung per Fax reagiert. Eine solche Vorgehensweise vermag aber weder die Fiktion des § 32a Abs. 6 Satz 2 StPO – dem Wiedereinsetzungsantrag vorgelagert – auszulösen, noch, auch bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen, zur Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrags zu führen.

2.2.

Noch sehr viel interessanter ist aber der Blick auf die Wirksamkeitsvoraussetzung eines Strafantrags im Zusammenhang mit dem elektronischen Rechtsverkehr. Gemäß § 158 Abs. 2 StPO muss bei reinen Antragsdelikten der Strafantrag bei Gericht oder der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll, bei einer anderen Behörde schriftlich angebracht werden. Für ein Dokument, das schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen ist, schreibt § 32a Abs. 3 StPO vor, dass es als elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden muss.

Dass diese Vorgabe auch für Strafanträge gilt, wenn sie als elektronisches Dokument eingereicht werden, hat der 5. Senat des Bundesgerichtshofs in einer Entscheidung vom 12.05.2022 (5 StR 398/21) noch einmal bestätigt. In der Entscheidung war es u. a. darum gegangen, dass von der Führungsaufsichtsstelle an die Staatsanwaltschaft wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht per E-Mail Strafantrag gestellt wurde. Diese E-Mail wurde nicht an ein elektronisches Behördenpostfach der Staatsanwaltschaft geschickt und eine entsprechende Handlung auch während der dreimonatigen Antragsfrist nicht nachgeholt.

Der Bundesgerichtshof hat in der zitierten Entscheidung darauf hingewiesen, dass damit der durch § 32a StPO näher bestimmten Schriftform des § 158 Abs. 2 StPO nicht entsprochen worden sei. Für zweckorientierte Abschwächungen des Formerfordernisses lasse die für die Einreichung elektronischer Dokumente bei Strafverfolgungsbehörden allein maßgebliche Vorschrift des § 32a StPO keinen Raum. Die ausführlich begründete Entscheidung des 5. Senats, der uneingeschränkt zuzustimmen ist, wird aber nun in zweierlei Hinsicht Beachtung erfordern:

Zum einen sollte der Rechtsanwalt bei der Stellung von Strafanträgen stets selbst darum besorgt sein, die Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 32a StPO einzuhalten.

Zum anderen aber ergeben sich bei Verteidigungsmandaten neue Ansätze. Wird der Strafantrag mittels elektronischen Dokuments gestellt, dann muss er auch den Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 32a StPO, insbesondere § 32a Abs. 3 StPO genügen. Lediglich dann, wenn, was nach wie vor möglich ist, der Strafantrag nicht in elektronischer Form gestellt wird, gelten allein die Anforderungsvoraussetzungen des § 158 Abs. 2 StPO.

Es kann sich also lohnen, in Zukunft einen geschärften Blick auf die Wirksamkeitsvoraussetzungen zu richten.