Geldstrafe neben Freiheitsstrafe noch möglich – BGH erhöht aber Anforderungen

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24.10.2019

Anwendung des § 41 StGB zur Ermöglichung einer Bewährungsaussetzung

In seiner Entscheidung vom 19.03.2019 (BGH 1 StR 367/18) setzt sich der 1. Strafsenat kritisch mit der in Steuerstrafsachen seit einigen Jahren etablierten Anwendung von § 41 StGB auseinander. Der Senat moniert, dass die Kombination von Geld- und Freiheitsstrafe im Zusammenhang mit der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe nicht dazu dienen darf, die in diesen Fällen „an sich gebotene höhere Freiheitsstrafe auf ein Maß herabsetzen zu können, das die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung möglich ist“ (BGH-Urteil v. 19.03.2019, Rz. 16).

§ 41 StGB ermöglicht die Verhängung der wahlweise angedrohten Geldstrafe (auch neben der Freiheitsstrafe), wenn der Täter sich durch die Tat bereichert hat oder zu bereichern versucht und wenn dies auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist. Der Senat stellt in seiner Entscheidung klar, dass der Vorschrift indes Ausnahmecharakter zukommt, so dass sie im Falle ihrer Anwendung – also bei Kumulation von Freiheits- und Geldstrafe – einem Begründungszwang unterliegt. Der Senat hebt dabei die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens des Tatrichters bei seiner Strafzumessungsentscheidung hervor und weist sowohl der Entscheidung über die Ausspaltung der Sanktion in Freiheits- und Geldstrafe als auch der wechselseitigen Gewichtung der als Geldstrafe bzw. als Freiheitsstrafe zu verhängenden Teile des schuldangemessenen Strafmaßes nach den Grundsätzen des § 46 StGB besondere Bedeutung zu.

Bei der Bemessung der Geldstrafe gebiete nämlich der Schuldgrundsatz bei der Kombination von Geld- und Freiheitsstrafe „das Gesamtstrafübel innerhalb des durch das Maß der Einzeltatschuld eröffneten Rahmens festzulegen“ (BGH-Urteil v. 19.03.2019, Rz. 18). Mit anderen Worten: Die zusätzliche Geldstrafe ist bei der Bemessung der Freiheitsstrafe strafmildernd zu berücksichtigen und gerade nicht als „Zusatzstrafe“ (BGH a.a.O.) zu verstehen, was zur Folge hat, dass Strafzumessungserwägungen klar von solchen der Strafaussetzung zur Bewährung getrennt werden müssen. Die Ermessenfehlerfreie Anwendung des § 41 StGB betrifft also nicht nur das „Ob“ der Festsetzung einer gesonderten Geldstrafe, sondern auch die Zumessung der Höhe nach.

Der Senat versäumt im Rahmen seiner Entscheidung nicht nochmals darauf hinzuweisen, dass seit seiner Entscheidung vom 02.12.2008 (BGH 1 StR 416/08) bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe eine zur Bewährungsstrafe aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe in Betracht kommt.

Für die strafrechtliche Beratungs- und Verteidigungspraxis ist die Entscheidung des Senats von hoher Brisanz. Denn die Kombinationsmöglichkeit von Geld- und Freiheitsstrafe auch bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe bietet der Verteidigung wie auch den Staatsanwaltschaften und Gerichten einen größeren Gestaltungsspielraum, der nicht zuletzt im Lichte einer effektiveren Verfahrensführung und –beendigung zu sehen ist. Bei Verteidigungen von Steuerstrafsachen wird der Fokus von Beginn des Verfahrens an nun wieder auf sämtlichen Strafmilderungsgründen liegen müssen, da zu erwarten ist, dass die Gerichte nach der Entscheidung des BGH mit der Anwendung des § 41 StGB künftig restriktiver sein werden.