Maßgebende Reform zur Verjährung bei § 266a StGB in Sicht?

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29.01.2020

BGH veröffentlicht Anfragebeschluss des 1. Strafsenats vom 13.11.2019

Mit seiner Entscheidung vom 13.11.2019 (BGH 1 StR 58/19) stellt der 1. Strafsenat eine grundlegende Änderung der Rechtsprechung zur Verjährung von Straftaten gemäß § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB in Aussicht. Er ist der Auffassung, dass die jahrzehntelange Rechtsprechung zum Verjährungsbeginn beim Tatbestand des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt im Wertungswiderspruch zu Verjährungsregelungen vergleichbarer Tatbestände steht und fragt bei den anderen Senaten an, ob unter dieser Maßgabe an der dort bisher getroffenen (gegenläufigen) Rechtsprechung festgehalten wird. Nach der erst im September 2019 ergangenen Entscheidung zur Anwendbarkeit des Tatbestandsirrtums im Rahmen des § 266a StGB (BGH 1 StR 346/18, Beschluss v. 24.09.2019), setzt der 1. Strafsenat seinen Weg, die Rechtsprechung insbesondere mit Blick auf § 370 AO und § 266a StGB zu vereinheitlichen, also konsequent fort.

So teilt der Senat in seiner Entscheidung unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung die Auffassung mit, „dass die Verjährungsfrist bei Taten gemäß § 266a Abs. 1 sowie Abs. 2 Nr. 2 StGB bereits mit dem verstreichen lassen des Fälligkeitszeitpunktes zu laufen beginnt“ (BGH a.a.O. Rz. 8). Bisher war die Tatbeendigung und damit der Verjährungsbeginn unter Maßgabe des § 78a S. 1 StGB in den Tatbestandsvarianten des § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB an das Erlöschen der Beitragspflicht gekoppelt. Zwar lag diese Koppelung im Wesen der Tatbestandsvarianten als echte Unterlassungsdelikte begründet, allerdings sieht der 1. Strafsenat in einem weiteren Untätigbleiben nach Verstreichen lassen des Fälligkeitszeitpunktes keine Vertiefung der Rechtsgutsverletzung; diese sei vielmehr bereits mit verstreichen lassen des Fälligkeitszeitpunktes irreversibel eingetreten (BGH a.a.O. Rz. 14 f.). Die Strafbewehrung eines weiteren Unterlassens nach Vollendung des Tatbestandes sei – so die Ausführungen des Senats weiter – auch nicht durch die Erhöhung des Verspätungsschadens gerechtfertigt (BGH a.a.O., Rz. 15); sie sei schließlich für vergleichbare Tatbestände, wie etwa den der Steuerhinterziehung nach § 370 AO ebenfalls nicht vorgesehen. Ein Gleichklang des Tatbeendigungszeitpunktes mit Verstreichen des Fälligkeitszeitpunktes beseitigt, so der Senat, die „Verwerfungen im Bereich des Verjährungssystems“ (BGH a.a.O., Rz. 20). Unter Berücksichtigung von Unterbrechungs- und Hemmungsgründen kann die „Gesamtverjährungszeit“ von Taten gemäß § 266a StGB nämlich bis zu 36 Jahre betragen. Dies steht nicht nur in keinem Verhältnis zum Unrechtsgehalt solcher Taten; es läuft auch dem Sinn und Zweck der Verjährung zuwider, mit dem die Schaffung von Rechtsfrieden und Verfahrensökonomie verfolgt wird.

Sollten sich die anderen Senate der Auffassung des 1. Senats anschließen, erfolgt eine lang überfällige und überaus wichtige Änderung des Verjährungssystems. Verfahren wegen des Vorwurfs des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt dürften sodann effektiver zu führen seien. Dies fügt sich auch in das Bestreben des Gesetzgebers zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens ein. Aus Sicht des Strafverteidigers, dürfte insbesondere das strafrechtliche Risiko des Rechtsnachfolgers bei Vorwürfen nach § 266a StGB für Beitragsforderung aus sogenannten „Altjahren“ beherrschbar werden.