Heimliche Einführung gravierender Änderungen für das Steuerstrafrecht geplant

Aktuelles

24.06.2020

Mit dem zweiten Corona-Steuerhilfegesetz sind weitreichende (befristete) Änderungen im Steuerrecht vorgesehen, die die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie auffangen und der Wirtschaft helfen soll, „schnell wieder an Schwung“ zu gewinnen (vgl. Regierungsentwurf zum zweiten Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfemaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise v. 12.06.2020).

Dabei sieht der Entwurf nachgerade „nonchalant“ auch zwei gravierende Änderungen für das Steuerstrafrecht vor.

1.

So soll zunächst die Einziehung der durch Steuerhinterziehung rechtswidrig erlangten Taterträge im Sinne des § 73 StGB trotz Erlöschens des Steueranspruches nach § 47 AO angeordnet werden können.

Bisher war nämlich die Einziehung eines Tatertrags aus einer Straftat nicht möglich, wenn der aus der Tat erlangte Anspruch auf Rückgewähr bzw. des Wertesatzes „erloschen“ ist, vgl. § 73e StGB. In seiner Entscheidung aus Oktober vergangenen Jahres (Urteil vom 24. Oktober 2019, 1 StR 173/19) hatte der Bundesgerichtshof für Strafsachen überdies klargestellt, dass dies auch für Ansprüche aus Steuerhinterziehungstaten gilt, also eine strafrechtliche Einziehung von steuerlich verjährten Ansprüchen nicht zulässig ist.

Dieses Gesetzesverständnis will die Bundesregierung nun offensichtlich unter dem Deckmäntelchen einer Corona-Soforthilfe-Maßnahme korrigiert wissen.

2.

Darüber hinaus soll die absolute Verjährungsfrist durch einen neu eingefügten Absatz 3 des § 376 AO (vgl. § 376 Abs. 3 AO-E) auf das Zweieinhalbfache der gesetzlichen Verjährungsfrist verlängert werden. Besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung verjähren danach also erst nach 25 Jahren absolut. Dem aber nicht genug, sieht der Regierungsentwurf noch eine weitere Extensionsmöglichkeit der Verjährungsregeln im Steuerstrafrecht vor. Durch die geplante Änderung des § 376 Abs. 1 AO soll die Regelung des § 78b Abs. 4 StGB auf besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung anwendbar sein. § 78b Abs. 4 StGB sieht vor, dass die Verjährung nach Eröffnung des Hauptverfahrens bis zu 5 Jahre ruht. Mit der nunmehr geplanten Änderung in § 376 Abs. 1 AO-E kann sich die Verjährungsfrist in besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung also bis auf 30 Jahre belaufen.  

Die gravierende Ausdehnung der steuerstrafrechtlichen Verjährungsfristen hat sich auffallend zufällig nach Bekanntwerden massiver Schwierigkeiten der Strafverfolgungsbehörden bei der Bewältigung der Cum-Ex-Verfahren in den Entwurf des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes eingeschlichen.

Beide in Rede stehenden Änderungen sind weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick mit der Corona-Pandemie oder deren wirtschaftlichen Folgen in Zusammenhang zu bringen. Es ist kein Grund der Eilbedürftigkeit erkennbar; sie erleichtern lediglich die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in erheblichem Maße.

Es verwundert also kaum, dass die geplanten Änderungen unmittelbar nach Veröffentlichung des Regierungsentwurfs aus der Anwaltschaft vehemente Kritik erfahren haben (vgl. nur Stellungnahme Nr. 28 der BRAK, Juni 2020).

Eines ist den beiden geplanten Änderungen gemein: sie konterkarieren das, den bisherigen Regelungen innewohnende Ziel, nach dem normierten Zeitablauf Rechtsfrieden zu schaffen. Dieser ist aber Teil des rechtsstaatlich verankerten Anspruchs auf Rechtssicherheit jedes Einzelnen.  So kritisiert die BRAK auch völlig zu Recht, dass es nicht zu Lasten des von strafrechtlichen Ermittlungen Betroffenen gehen kann, wenn die Strafverfolgungsbehörden nicht in der Lage sind, Steuerstraftaten, wie etwa die bereits angesprochenen Cum-Ex-Fälle, innerhalb der geltenden Verjährungsfrist von 20 Jahren zu bewältigen.